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Die Geschichte der Spekker

Johann und Aeve Specker

1565 - 1624

 

Die ersten Vertreter der Familie waren Johan & Aeve Specker. Johann wurde ca. 1565 geboren und wird in Urkunden mit der „Ehrsame und Achtbare Johan Specker“ tituliert. Johan und seine Frau lebten in einer Zeit der großen Umbrüche. Die Reformation wühlte allerorts die Gemüter auf und die Niederlande sagten sich von der spanischen Herrschaft los und brachen den Niederländisch-Spanischen Krieg vom Zaun. Emden wurde aufgrund seiner evangelischen Ausrichtung zum „Genf des Nordens“ und im Kontext der Geschehnisse fokussierten sich, wie in einem Brennglas, die Ereignisse der politischen Bühne in eben jener Stadt. In Ostfriesland verstarb zu allem Überfluss im Jahre 1591 Graf Johan Tzyerza (Cirksena) von Ostfriesland und sein Bruder Graf Edzard II übernahm nun die Alleinherrschaft. Der Machtkampf zwischen den beiden Brüdern auf politischer wie religiöser Ebene hatte die Regierungsgeschäfte nachhaltig gelähmt. Die Lage eskalierte 1595 in der Stadt Emden, wo eine calvinistische Gemeinde unter Führung von Gerhard Bolardus die gräfliche Regierung der Stadt absetzte, die Residenz des Grafen schleifte  und am 18.03.1595 verkündete, dass Emden nun eine freie Reichsstadt sei.

Graf Edzard erhob ohne Verzögerung im Anschluss an ein Schlichtungsverfahren, zwischen den Ständen und dem Grafen, welches vom Kaiserlichen Gesandten, dem Grafen von der Lippe, geführt wurde, Steuern in Form von Speck- und Knechtgeld. Im Falle der Rheiderländer hatte dies den Zweck, die Besatzung der Festung Leerort zu finanzieren. Auch wartete er nicht, dass die Bevölkerung dieses Geld einzahlte, er ließ es durch Vasallen eintreiben, die nun durch das Amt Leerort streiften . Von diesen Repressalien war auch die Familie Specker in Stapelmoor betroffen und wie alle anderen, zahlten sie bereits das sogenannte Wachgeld, um die Besatzungen von Festungen wie Leerort und örtliche Wachtmeister zu entlohnen. Johan und Aeve empfanden diese neue Besteuerung als ungerecht, auch weil sie durch die Kanzelverkündung wussten, dass es dem Grafen Edzard vom Gesandten des Kaisers untersagt war Neuerungen einzuführen. Da die Familie zum Hausmannsstand gehörte, war es ihr jedoch möglich, dem entgegenzuwirken. So wurde der Syndicus des Hausmannsstandes Hector Friedrich beauftragt, eine förmliche Beschwerde aufzusetzen, in der die Hausleute des Amtes gegen diese Neuerungen protestierten . Zu diesem Zweck unterzeichneten die Eingesessenen des Amtes Leerort eine Vollmacht für Hector Friedrich und auch Johan Specker unterzeichnete diese. Zwei Notare mit Namen Jakob Adriani und Albert Severin wurden mit der Aufgabe betraut, dem Grafen Edzard diese Protestnote zu überreichen. Doch der Graf, welcher sich zu diesem Zeitpunkt in seiner Residenz auf Festung Leerort aufhielt, ließ sie nicht vor. Also wurde die Beschwerde dem gräflichen Sekretär Haseborg überreicht. Sowie die Notare die Festung verlassen wollten, ließ der Graf sie verhaften und einkerkern . Vermutlich befürchtete er eine Wiederholung der Ereignisse von Emden. Nur so lässt sich die Vehemenz erklären mit der er in dieser Sache vorging. Er fühlte sich wohl durch den Protest des Hausmannsstandes persönlich beleidigt und auf die Restauration seiner Autorität bedacht, wies Graf Edzard II den Amtmann Johan Wilcken an, die unterzeichnenden Hausleute des Amtes Leerort unverzüglich einzubestellen und zur Räson zu rufen. Wilcken ließ also alle Unterzeichner der Beschwerde in die Schule zu Leerort bestellen. Alle Landtagsfähigen der Orte Leer, Loga, Logabirum, Edermoor, Veenhusen, Weener, Stapelmoor, Diele, Vellage, Essklum, Mitling und Mark, Dorenborg und Driever wurden im Beisein von zwei Notaren befragt, wie sie zu der Beschwerde gegen den Grafen stünden. Dieses Protokoll datiert auf den 19.02.1596 und hält die Namen von 97 einbestellten Ortseingesessenen der genannten Orte fest, welche ein Amt bekleideten oder anderweitig als „qualifizierte Bürger“ galten. Auch Johan war unter den einbestellten. Das Schicksal der eingekerkerten Notare wird wohl auch seine Runde unter den Versammelten gemacht haben. Ebenso wird den Angereisten wohl allzu bewusst gewesen sein, dass Graf Edzard die Beschwerde als eine Art Hochverrat ansah und manch einer ließ sich dadurch wohl einschüchtern. Die Aussagen die getätigt wurden, stellten jedoch klar, dass die Klageschrift ihres Wissens nach zu nichts anderem führen sollte als zu Frieden und Einigkeit und sich nicht direkt gegen die persönliche Regierung des Grafen richte, sondern durch sie ausschließlich die Erhebung des Knecht- und Speckgeldes moniert werde. Einig waren sich alle Anwesenden darin, dass die Beschwerdeschrift nicht gegen den Grafen persönlich in Persona gerichtet sei. Einige gaben an, dass sie sich gänzlich von den Vorkommnissen distanzieren würden, da ihnen im Vorfeld die Brisanz der Protestnote nicht zu Bewusstsein stand. Wieder andere gaben an, überhaupt nie eine Vollmacht unterzeichnet zu haben. Vermutlich war die Protestnote vom Inhalt her weit über das Ziel hinausgeschossen und hatte eine Brisanz entwickelt, welche so nicht gedacht war. Der Graf gab sich schließlich mit den Aussagen zufrieden und die Einbestellten durften gehen.

Johan Specker soll 1611 der evangelischen Kirche in Weener die dortige Holzkanzel gestiftet haben. Diese Aussage stützt sich auf mündliche und schriftliche Hinterlassenschaften aus Familienbesitz, da es keine kirchlichen Aufzeichnungen über die Stiftung der Kanzel gibt. Belegt ist allerdings die Zahlung seines Sohnes Focko Spekker über 50 rheinische Gulden (heutiger Gegenwert etwa 2.500 – 3.000€), mit denen die Montage der Kanzel nach dem Tode Johans finanziert wurde. Johan taucht noch 1623 und 1624 selbst in einer Kirchenrechnung von Weener auf. Eine Damenhaube welche sich 1929 bei Restaurationsarbeiten im Schalldeckel fand, könnte somit Aeve Specker gehört haben.

Versuche, diese Damenhaube über das Heimatmuseum in Weener ausfindig zu machen zielten ins leere. Das einzige Foto davon, stammt aus dem Jahre des Fundes 1929 und wurde vermutlich von Bernh. H. Meyer aus Weener aufgenommen.

Der Dreißigjährige Krieg und die Folgezeit

1625 - 1716

 

Bis etwa 1640 verteilte sich der Wohlstand ziemlich gleichmäßig in Ostfriesland, es gab kaum Armenviertel. Doch eine europäische Katastrophe brachte hier den Umschwung. 1618 brach der Dreißigjährige Krieg über das Land herein und obwohl Ostfriesland über die gesamte Zeitspanne keine wirklichen Kampfhandlungen erfuhr und ausdrücklich neutral blieb, wurde das Land systematisch von lagernden Truppen der konkurrierenden Parteien geschröpft. Johanns Sohn Berend Spekker hatte also die Geschicke des Hofes durch brisante Zeiten zu lenken, denn die Eingesessenen hatten die lagernden Truppen mit allerlei Naturalien zu verpflegen, was die Wirtschaftlichkeit der Familie stark beeinträchtigte, zusätzlich versiegte die Versorgung mit westfälischem Brennmaterial fast völlig. Die Spekkers konnten ihren Stand behaupten, denn Focko Spekker, Berends Bruder, leistete es sich gleich in der Nachkriegszeit, um 1649 den Aufbau der Kanzel, welche von seinem Vater gestiftet wurde, zu finanzieren. Da der Krieg von 1618 bis 1648 dauerte, liegt die Vermutung nahe, dass die fertiggestellte Kanzel über diese Zeit gelagert wurde, damit sie nicht schon vor der Montage zu Brennholz verarbeitet wurde. Auch der Sohn von Berend, Lübbert Spekker, der um 1624 geboren wurde, gehörte zu den Hausleuten in Stapelmoor. In diese Nachkriegszeit fällt die große Krise und der schrittweise Niedergang Ostfrieslands begann, denn Graf und Stände hatten unfassbare Schulden aus dem Dreißigjährigen Krieg zu stemmen. Die Schulden der Stände beliefen sich insgesamt auf 1.717.536 Gulden mit 8-13 % Verzinsung. Gemessen an heutigen Wertvorstellungen spräche man von etwa 86 Millionen €. Für damalige Verhältnisse eine exorbitante Summe. Nicht umsonst brauchte das Land einhundert Jahre, um wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Der ostfriesischen Bevölkerung jener Tage waren derartige Dinge nicht unmittelbar bekannt und drückten sich lediglich in einem allgemeinen Gefühl aus. 1682 wurde Lübbert Spekker ein Sohn geboren, den er prompt nach seinem Vater, Berend nannte. Berend Spekker hatte ebenfalls hart zu kämpfen, denn in seine Zeit fielen die verheerendsten Katastrophen, die das Rheiderland je heimsuchten. Er hatte 1709 Hemke Staas geheiratet. Von dieser Hemke Staas stammt der auch heute noch in der Familie gebräuchliche Vorname Staas. Im Jahre 1715 wurde das Rheiderland von einer Viehpest überrollt, welche als Krankheit bis dato nicht bekannt gewesen war. Ihren Ursprung nahm diese schon 1708 in Italien, arbeitete sich bis 1713 in die Niederlande vor und stand 1714 vor den Toren des Rheiderlandes. Im Dezember 1714 wurde der erste Fall der Seuche bei Stickhausen bekannt und gleich darauf, Anfang 1715, starb das erste Vieh nahe Wirdum. Ungenaue Quellen sprechen von 60.000 verendeten Tieren, was für die Landbevölkerung in vielen Fällen den Ruin bedeutete. Alle Landwirte, die es fertig brachten dieser Pest einigermaßen entgegen zu wirken, sollten bald einen weiteren Schicksalsschlag erleiden. In Wiardas Ostfriesischer Geschichte Band 7 aus dem Jahre 1797 steht geschrieben:

 

Es fand sich nämlich im Frühjahr des folgenden Jahres der Amel, ein kleiner schwarzgrauer Wurm, welcher sich durch kalte und nasse Witterung zu vermehren pflegt, in einer außerordentlichen Menge ein. Von diesem Amel wurde zum größten Nachteil des Landmannes das Grün und Bauland außerordentlich beschädigt. Die Weiden standen kahl vom Gras und die jungen Saaten waren benaget oder zum Theil ganz verdorben. Das Korn, welches noch aufgegangen war, und zur Reife gelangte, fraßen nun im Sommer die Mäuse. Das Land war so voller Mäuse, dass man sie mit Stöcken totschlagen und mit den Füssen treten konnte. Wo man hinsah, da wimmelte es von Mäusen. Ganze Äcker, die an dem vorigen Tage dichte voll Getreide standen, glichen an dem folgenden Morgen einer abgemähten Flur. […] Im Winter verloren sich die Mäuse.

Das Ausmaß dieser dicht aufeinander folgenden Katastrophen wird erst ersichtlich, wenn wir uns vor Augen führen, dass sich die Landbevölkerung ausschließlich von ihren Erzeugnissen ernähren konnten. Doch es stand kaum noch Vieh auf dem Acker und die Scheune war leer. Für Berend und Hemke kam noch erschwerend hinzu, dass am 06.02.1716 der kleine Staas Spekker das Licht der Welt erblickte. Zuvor wurden Staas Schwester Engel *1710 und sein Bruder Lübbert *1713 geboren. Der Haushalt beheimatete somit Berend und Hemke mit den drei Kindern. Zukunftsängste scheint mir hier ein viel zu kleines Wort zu sein. Das Land war durch den Dreißigjährigen Krieg ausgepresst und nun noch seiner Einnahmequellen beraubt. Die Pachten fielen in den Keller, das Land verlor seinen Wert und eine Hungersnot war die Folge. Was Berend und seiner Familie in dieser Zeit rettend zugutekam war die Tatsache, dass Berend aufgrund seines Erbes zu den begüterten Landwirten zählte. So konnte die Familie Spekker, rückblickend, diese Durststrecke besser überbrücken als manch anderer, auch wenn sie selbst daran gezweifelt haben werden. Viele Familien Ostfrieslands starben in diesem Sommer und Herbst den Hungertod und selbst die Nachbarn hatten keine Chance dem entgegen zu wirken, da sie selbst kaum über die Runden kamen. In der Chronik der Familie Groeneveld findet man den Hinweis, dass zu dieser Zeit kaum Geld im Umlauf war und sich die Bevölkerung eben von dem ernähren musste was da war oder durch Tauschhandel hinzugetauscht wurde. Dann neigte sich schlussendlich auch dieses schreckliche Jahr dem Ende entgegen. Und trotz Missernte und fast völligem Verlust der Viehbestände näherte sich wie jedes Jahr das Weihnachtsfest. Alle Familien im Rheiderland hofften nun auf einen besseren Frühling im nächsten Jahr. Nach einhundert Jahren Mühsal und fremdknechtung musste doch dies den Beginn einer besseren Zeit ankündigen. Doch das große Schicksal wollte dieser Geschichte noch einen dicken Punkt hinter dem letzten Akt verpassen.

Fortsetzung folgt

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