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Wer waren die Hausleute ?
Der friesische Hausmannsstand
Als Hausmannsstand wurde in Ostfriesland jene großbäuerliche Schicht bezeichnet, welche auch als „Eigenerfden“ oder „Eigenbeerbten“ bezeichnet wurden und waren die eigentlichen freien Friesen, was ihnen sogar das Recht gab am Landtag teilzunehmen. Die Hausleute bildeten den dritten Stand, neben dem Adel und den Städten. Der Klerus spielte in Ostfriesland keine Rolle[1]. Inwieweit Landbesitz und Landwirtschaft die alleinige wirtschaftliche Grundlage dieser Hausleute bildete, ist nach heutigem Wissensstand fraglich. Oft beteiligten sich die Hausleute auch an wirtschaftlichen und spekulativen Unternehmungen.
Diese Hausleute teilten über Jahrhunderte die Ortsämter untereinander auf und bildeten aufgrund der daraus resultierenden Exklusivität eine nahezu konkurrenzlose Elite[2].
Bei einer Hausmannsfamilie handelte es sich um einen besonderen Typus des Bauern, der sich vornehmlich in den ostfriesischen Stammesgebieten entwickelte und sich dennoch stark vom Bauernstand, den wir aus dem Geschichtsunterricht kennen, unterschied. Wir haben hier eher einen Landedelmann vor uns, der sich von der Feldarbeit befreit hatte und sich vom Standesbewusstsein zwischen Adel und nicht-Adel bewegte.
Die Hausleute setzten in der Ständeversammlung die Steuern fest, welche selbst vom Adel zu entrichten waren. Im übrigen Reich war der Adel von Steuern befreit, nicht so in Ostfriesland. Hier hatten auch diese die gleichen Abgaben zu leisten wie alle anderen[3].
Der Hausmannsstand (auch „die Hausleute“ genannt) stand in der Tradition der friesischen Freiheit und verfügte daher schon sehr früh über eigenen Grund und Boden sowie über die ausgeprägten Rechte am Eigentum, welche durch die gefälschten Karlsprivilegien Eingang in das Landrecht fanden und somit garantiert wurden. Aus diesem Grunde konnten die Hausleute Ostfrieslands von Anfang an eine Entwicklung bis hin zur Spitze der ländlichen Gesellschaft durchlaufen[4], wo sie ihren Platz letztlich durch Reichtum legitimierten und sich in eine abgeschottete Elite mit eigenen Standesregeln verwandelten[5]. Der kaum vorhandene Adel in der Region begünstigte diesen Aufstieg, so dass die Hausleute als Grundbesitzer und Eigentümer von nicht selten mehreren Pachthöfen, dieses Herrschaftsvakuum ausfüllten und oft dieselbe Stellung im Dorfgefüge einnahmen wie Adlige Grundherren anderer Gegenden[6].
Rechtlich gesehen gehörte man zum Hausmannsstand, wenn man, mindestens 25 Grasen eigenes oder 50 Grasen Land in Erbpacht besaß. Diese Grenze wurde für gesamt Ostfriesland letztmalig im Jahre 1620 auf dem ostfriesischen Landtag festgelegt.
Die Heiratspolitik der Hausleute sah vor, nach Möglichkeit den Stand zu wahren, was dazu führte, dass nahezu alle alten Hausmannsgeschlechter des Rheiderlandes heutzutage miteinander auf die eine oder andere Art und Weise verwandt sind. Schaut man sich die Adelsfamilien Europas an, welche fast alle untereinander familiäre Verbindungen aufweisen können, fand das gleiche Prinzip über Jahrhunderte bei den Hausleuten im ostfriesischen Mikrokosmos statt. Auch hier galt der Hausmannsstand als abgeschlossene Gesellschaft, welche lediglich 5% der ostfriesischen Bevölkerung ausmachten.
Der Begriff Hausleute entwickelte sich vermutlich aus dem alten Wort „Huslotha“ und bezeichnete jene Friesen, welche die „Huslotha“ also den Königszins für die friesische Freiheit abführten, was sich vermutlich später in den Begriff „Huisluid“ wandelte, welcher ins Deutsche übersetzt „Hausleute“ bedeutet[7]. Da sich die ersten freien Friesen mit der Huslotha vom feudalen System loskaufen konnten und somit eine Reichsunmittelbarkeit erlangten, verleitete dieser Umstand manchen Geschichtsschreiber dazu, den Hausmannsstand als eigentümlichen, friesischen Volksadel zu sehen[8], da er zwischen sich und dem Kaiser persönlich, keine feudale Instanz akzeptieren musste. Die Selbstverständlichkeit der Hausleute, in Ostfriesland der eigentlich tonangebende Stand zu sein, manifestiert sich in dem Fakt, dass sich in vielen Nachlässen von Hausleuten neben Bibel und Gesangbuch das ostfriesische Landrecht aufgelistet findet. Das ostfriesische Landrecht hatte einen Umfang von 1345 Seiten, was die Anschaffung entsprechend teuer machte. Dies lässt Rückschlüsse zu, welche Wichtigkeit die Kenntnis desselben für die eigene Rechtfertigung und das politische Bewusstsein der Hausleute einnahm[9]. So hielten sie auch lange Zeit noch die Fäden politischer Macht in den Händen und die Grafen sowie später die Fürsten Ostfrieslands mussten in nicht unerheblichem Maße mit den Hausleuten konkurrieren, denn ohne die Zustimmung derselben, durfte kaum etwas entschieden werden. Dieses Kompetenzgerangel mündete letztlich kurz vor der Annexion durch Preußen in einen Bürgerkrieg, dem sogenannten Appelle Krieg 1724-1726[10].
Hausleute erreichten nicht selten einen wirtschaftlichen Status, der es ihnen erlaubte, sich von der täglichen Arbeit zu befreien und sich ganz dem Handel und der Überwachung des eigenen Betriebes zu widmen[11]. Sie beschäftigten zur Erledigung der körperlichen Arbeiten feste Dienstboten und darüber hinaus saisonale Arbeiter, wie Tagelöhner oder Wanderarbeiter, welche den Höfen der Hausleute oft über Jahre hinweg durch wiederkehrende Anstellungen verbunden blieben[12]. Aus dieser Position, des sich von körperlicher Arbeit weitestgehend Freimachens, resultierte der Wunsch nach Bildung. Diese Bildung ging nicht selten weit über das agrarische Wissen hinaus. Es finden sich Hausmannsfamilien, welche, auf eigenes Betreiben hin, Räumlichkeiten anmieteten und einen Privatlehrer einstellten, wenn ein Schulmeister aus dem Ort (welcher nebenbei bemerkt von Hausleuten gewählt wurde) nicht dem Anspruch genügte[13].
Der ländliche Adel in Ostfriesland war an Grundbesitz zwar oft überlegen, bewegte sich ansonsten allerdings auf Augenhöhe mit den Hausleuten[14]. Dieser Umstand nahm erst nach der Machtübernahme Preußens 1744 im Laufe der Jahre ab[15] und die Hausleute fielen im sozialen Gefüge in gleichem Maße zurück, wie die sogenannte friesische Freiheit in Personalunion mit der Ständevertretung, der Ostfriesischen Landschaft, verblasste. Der Standesunterschied zwischen Adel und Hausleuten nahm immer schärfere Konturen an und geronn, spätestens nachdem alle Standesprivilegien 1807 unter Napoleon aufgehoben wurden, was in Ostfriesland nicht nur den Adel, sondern auch den Hausmann betraf. Das Landtagsrecht für die Hausleute entfiel und die neue Kommunalordnung der Franzosen ersetzte den Schüttmeister durch das Amt des Ortsvorstehers oder Bürgermeisters. Weiterhin bekamen alle Landbewohner gleichgewichtete Stimmrechte und das Amt des Bürgermeisters stand, zumindest theoretisch, jedem Anwohner offen und beschränkte sich nicht mehr auf den exklusiven Kreis der Hausleute, die nun auch nicht mehr alleinig wahlberechtigt waren[16]. Nach dieser Zeit wurden diese Privilegien niemals restauriert und die Wandlung von Hausleuten zu Landwirten war vollzogen[17], wenn auch einige Hausmannsfamilien den Dünkel vergangener Tage bis in die Nachkriegsjahre des 20. Jhd zu retten vermochten, hatten sie doch die echten Privilegien eingebüßt und der einzige ostfriesische „Titel“, den es jemals gab, verschwand für immer.
Die Hausleute entwickelten sich in Ostfriesland als Arbeitgeber, Grundbesitzer und Amtsinhaber in Personalunion eine einzigartige Machtposition jenseits des feudalen Systems, welche es ihnen erlaubte, tatsächlich auf Augenhöhe mit dem Adel zu konkurrieren, der zur Rechtfertigung des eigenen Bestehens oft die gleichen Legitimationsmuster heranzog[18]. Die lokale Herrschaft der Hausleute in der frühen Neuzeit, wird auch als „adelsanaloge Bauernoligarchie“ bezeichnet[19]. Warum der Adel letztlich die Reformen Napoleons als Stand überdauerte und den alten Status nach dem Sieg über denselben restaurieren konnte und die Hausleute nicht, liegt vor allem an der europaweiten Akzeptanz, welche beim Hausmann schon nach der ostfriesischen Machtübernahme Preußens 1744 schwierig und nach 1813 mit dem Anschluss Ostfrieslands an Hannover gänzlich vom Tisch war. Mit Hausleuten konnten Freiherren, Grafen und überhaupt der Adel in Europa nicht wirklich etwas anfangen, in ihren Augen handelte es sich um vermögende Landwirte, nichts weiter.
[1] Vgl. Heike Düselder und Olga Sommerfeld, Adel an der Peripherie? Kultur und Herrschaft des niederen Adels in Nordwestdeutschland Bericht über ein Forschungs- und Ausstellungsprojekt der Universität Osnabrück und des Niedersächsischen Freilichtmuseums Museumsdorf Cloppenburg, 2005, S. 16
[2] Vgl. Dr. Jessica Cronshagen, Aufsatz Ostfriesische Landschaft: Die Hausleute: Landhandel und Landhändler, Pachtbauern und Erben, Landmänner und Vornehme in den friesischen Marschen des 17. Und 18. Jahrhunderts
[3] Ebd., S. 236
[4] Vgl. Frank Schmekel, Was macht ein(en) Hausmann: Eine ländliche Elite zwischen Status und Praktiken der Legitimation, in: Diskurse – Körper – Artefakte: Historische Praxeologie in der Frühneuzeitforschung, S. 287
[5] Vgl. Dr. Cronshagen, Aufsatz: Hausleute
[6] Vgl. Christoph Reinders-Düselder, Adelige Lebenswelten in Nordwestdeutschland, in: Frühe Neuzeit: Festschrift für Ernst Hinrichs, Bielefeld 2004, S. 58
[7] Vgl. Cronshagen, Einfach vornehm, S.73
[8] Vgl. Frank Schmekel, Wie das Dorf die Welt beeinflusste und umgekehrt: Ostfriesische Bauern als glokale Elite der frühen Neuzeit, 1. Aufl., Martin Meidenbauer Verlagsbuchhandlung München, 2011, S. 36
[9] Vgl. Cronshagen, Einfach vornehm, S.154
[10] Der Apelle-Krieg war ein Konflikt zwischen dem Fürsten von Ostfriesland und den ostfriesischen Ständen, um die Steuerhoheit in Ostfriesland. (siehe Kapitel: Spekker S. 268 in diesem Buch)
[11] Vgl. Cronshagen, Einfach vornehm, S. 22 & Schmekel, Hausmann: ländl. Elite, in: Diskurse – Körper – Artefakte S. 287
[12] Vgl. Cronshagen, Einfach vornehm, S.142
[13] Vgl. Schmekel, Hausmann: ländl. Elite, in: Diskurse – Körper – Artefakte, S.295 - 296
[14] Vgl. Cronshagen, Einfach vornehm, S. 71
[15] Vgl. Otto S. Knottnerus, Bauernfreiheit in: die friesische Freiheit des Mittelalters: Leben und Legende, Hajo van Lengen, Aurich: Ostfriesische Landschaftliche Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH, 2003, S. 382
[16] Vgl. Roskamp, Ostfr. Familiengeschichten, S. 241
[17] Ebd., S. 241
[18] Vgl. Cronshagen, Einfach vornehm, S. 298 - 300
[19] Vgl. Köller, Agonalität, S. 265